Eine wahre Begebenheit

Folgende Nacherzählung habe ich vor einigen Wochen auf unserer Gemeindeferienwoche in der Morgenandacht vorgelesen.

Die Begebenheit hat mich sehr berührt!

Hierbei handelt es sich um die Hauptpersonen „ER“, „der Mann“ und „die Gruppe Menschen.

Eine wahre Begebenheit – Hartherzigkeit oder Liebe (Wiederherstellung)

Es begab sich, dass ER, wie gewohnt, in das Haus des Herrn ging.

Kurzer Exkurs: Im Haus des Herrn, da versammelte man sich, um zusammen mit anderen Menschen von Gott, dem Herrn, zu hören und zu lernen.

Als ER in das Haus kam, waren noch andere da. ER nahm eine größere Gruppe Menschen wahr, die schon da waren – gesammelt, beherrscht, souverän, abwartend, ja erhaben und die Situation im Griff – sie wussten, was sie wollten. Sie hatten sogar einen Plan, gut entwickelt, gerechtfertigt und erklärt. Der Plan für den Fall.

In der Menschenmenge war noch jemand da. Ein Mann. Er sah nicht so aus, als hätte er begriffen, um was es hier in diesem Hause ging. Er strahlte keine Selbstsicherheit aus, nein er gebärdete sich, als würde er sich entschuldigen, dass er da ist, in diesem Haus des Herrn. Und doch war er da. Verklemmte Körperhaltung, angespannte Gesichtszüge und immer darauf bedacht, nicht aufzufallen, stellte er sich hinter die anderen, um sich hinten an die Wand zu setzen.

ER, der im Auftrage des Herrn kam, sah ihn. Diesen, der aus der Not heraus gekommen war, in der Hoffnung, dass er irgendeinen Krümel für sich in diesem Haus des Herrn auflesen könnte. Dieser, der sich zutiefst danach sehnt, erquickt zu werden, Erleichterung zu bekommen, ja vielleicht sogar mehr.

ER rief ihn zu sich: du dort, steh auf! Und komm hierher – in die Mitte – damit alle dich sehen können.

Ein stilles aber grollendes Raunen ging durch den Raum. Hat ER denn noch alle Sinnen beisammen?! Was fällt ihm denn ein? Das ist ja höchst peinlich! Das gehört sich hier in diesem Haus nicht – hier hören wir die Lehre des Herrn! Das darf nicht gestört werden, schon gar nicht von stinkenden und kranken Menschen von der Straße. Noch schlimmer war, ER konzentrierte sich nicht auf die Predigt, sondern hatte was ganz anderes vor; etwas,

was gar nichts mit dem Tag des Herrn zu tun hatte! Aber - sie waren nicht unvorbereitet. Wie vereinbart, waren sie in ständiger Beobachtung und bewachten IHN hier sehr genau. Und das nicht erst heute, sondern schon über längere Zeit. Das hier veranlasste natürlich, in Stellung zu gehen und zu wachen …

Darum auch die Spannung in der Luft; nicht erst jetzt, wo ER den Verkrüppelten in die Mitte rief. Sondern schon seit dem ersten Schritt, den ER in dieses Haus tat. Und sie hatten sich nicht getäuscht. Der Plan für den Fall gab ihnen Bestätigung, Sicherheit und Kraft, ja sogar Erfüllung auf eine Art.

Der am Rande kam in die Mitte. Er sah nur IHN, und seine Hoffnung wuchs … Herzklopfen bis zum Halse. Es wollte ihn den Atem abschnüren, aber er schob sich durch die Menge, und kam, so dass alle ihn sehen konnten. Aber er sah nur IHN.

So stand er da, dieser Unscheinbare, Kranke – er passte so gar nicht in diesen Rahmen.

ER wendete sich dann zuerst an die Anwesenden und fragte sie: „Soll man am Sonntag Gutes tun oder Böses?“ Um die Frage etwas leichter zu machen, präzisierte er: „Soll man das Leben eines Menschen retten, oder soll man ihn zugrunde gehen lassen?“

Stille. Niemand gab eine Antwort. Niemand.

Sie hatten keine Antwort.

Sie hatten einen Plan. Dieser Plan war entstanden, aus Angst heraus. Die Angst hatte ihr Herz besetzt, sie durfte ihnen sagen, was sie brauchen: Ansehen, Macht, Recht … , es war schon eine längere Zeit, seitdem sie daran arbeiteten, dass Sicherheit, Akzeptanz und Anerkennung, vielleicht sogar Liebe ihnen zukommt.

Das hier wird eine andere Geschichte … wir kommen zurück in die Mitte:

ER und der mit der verkrüppelten Hand.

Zornig sah ER die Umstehenden nacheinander an. Er sah jeden an – ER war traurig – über das harte Herz in ihnen. Ihre Gesinnung hatte das Herz hart werden lassen.

ER sagt jetzt aber zu dem Mann: streck deine Hand aus! Dieser Mann stand jetzt nicht nur in der Mitte, so dass ihn alle sehen konnten, sondern er sollte auch noch das in die Mitte halten, das er am meisten verborgen hatte. Es sollte ans Licht kommen, damit alle Dunkelheit durch das Licht vertrieben werden konnte. Dieser Mann tat es – und die Hand war gesund!

Wieder-hergestellt.

Kraft zum Leben.

Dann kann die Liebe nicht anders, als zu jubeln, zu klatschen und sich zu freuen.

Aber die Hartherzigkeit kann das nicht. Sie geht raus, und sieht zu, dass sie Verbündete findet, um ihren Plan zu Ende zu bringen. Es wird sonst gefährlich – das sagt die Lüge.

ER aber zog sich wieder einmal zurück, zusammen mit seinen Jüngern.

An das Ufer des Sees. Hier sprach ER mit seinem Vater über alles. Hier wurde er wieder zugerüstet für die nächsten Begegnungen, die schon bald kamen.

Originalversion: Markus 3, 1-7 - nacherzählt von Claudia Pankratz

Florian Prietzel